texte über zs

Es muss Energie darin sein

Terezie Nekvindová sprach mit Lenka Sýkorová und Zdeněk Sýkora

Im Dezember 2008 lud mich das Ehepaar Sýkora in sein Haus in Louny ein und die beiden antworteten gemeinsam auf meine Fragen oder ergänzten sich gegenseitig. Ihre Antworten in diesem Interview respektieren also die Symbiose, in der die beiden schon mehr als zwanzig Jahre leben und künstlerisch arbeiten.

Terezie Nekvindová: Sie arbeiten seit Mitte der 80er Jahre zusammen und entwickeln gemeinsam die künstlerische Methode weiter, zu der Zdeněk Sýkora 1973 gelangt war. Was veranlasste Sie dazu, ein Künstlerduo zu bilden?

Zdeněk Sýkora und Lenka Sýkorová: Es ist nicht leicht für uns, darüber zu sprechen. Wir arbeiten schon mehr als zwanzig Jahre zusammen, aber offiziell tauchten unsere Namen erst 2005 nebeneinander auf, im Zusammenhang mit einem Kunst-am-Bau-Projekt und anschließend bei der Präsentation des Grafikalbums Létání (Das Fliegen), das mit diesem Kunstwerk unmittelbar zusammenhing. Wir hatten ganz bestimmt nicht die Absicht, ein Künstlerduo zu bilden. Als wir 1983 heirateten, hatte jeder von uns seinen eigenen Beruf. Nach und nach begannen wir aber zusammenzuarbeiten, bei dieser Art von Kunst ist Teamarbeit möglich.

Sie sind Autor (und in späterer Zeit Koautoren) von rund 15 Werken oder Entwürfen für den öffentlichen Raum. Wie bewerten Sie diese rückblickend und wie sehen Sie den Unterschied zwischen diesen Werken aus den sechziger Jahren und nach 1989?

In den sechziger Jahren war die Arbeit für den öffentlichen Raum eine große Herausforderung und ein Abenteuer, eine prestigeträchtige Angelegenheit, aber die Ausführung kostete eine Menge Zeit, die dann für freie Arbeiten fehlte. Auch deshalb habe ich Ende der sechziger Jahre im Atelier nicht sehr viel gemalt. Ich habe damals die Ausführung aller Werke persönlich beaufsichtigt, musste Probleme lösen, für die wir heute ein Produktionsteam mieten können, wie wir es bei der Flugsicherung gemacht haben. Wir haben relativ viele Angebote für Gestaltungen mit Linien im öffentlichen Raum, aber die meisten lehnen wir ab, weil die persönliche Beteiligung trotz allem wichtig ist, und für uns ist es zurzeit generell beschwerlich zu reisen. Nun haben wir in Louny ein Angebot bekommen und hoffen, dass wir schaffen, es zur Umsetzung zu bringen.

Das erwähnte Gemälde „Das Fliegen“ im Gebäude der Flugsicherung in Jeneč bei Prag ist vorerst Ihr letztes Werk im öffentlichen Raum. Ist es das einzige, das direkt auf eine Wand gemalt wurde?

Ja, es handelt sich um eine Wandmalerei mit Acrylfarben. Es ist erst die zweite Liniengestaltung im öffentlichen Raum, wenn man mehrere großformatige Bilder nicht mitrechnet, die auch von vornherein für den jeweiligen Raum bestimmt waren – die achtteiligen Linien Nr. 58 für das Symposium „Konkret 9“ in Nürnberg 1989, das Gewitter in Arizona und Linien Nr. 133 für das Interieur von Einfamilienhäusern in den USA und in Deutschland. Für Jeneč gab es anfangs eine ähnliche Vorstellung: An den Seitenwänden im Eingangsbereich des Gebäudes sollte an jeder Seite ein 2 x 2 Meter großes Bild aufgehängt werden, wobei der Sichtbeton dieser Wände ansonsten unberührt bleiben sollte; das war das ursprüngliche Vorhaben der Architekten Viktor Tuček und Richard Bartík. Nach längerem Ausprobieren und Abwägen am Modell kamen wir zu dem Schluss, dass es am besten ist, die Linien direkt auf die Wand zu malen. Es entstand ein Werk, das eine Höhe von fast 8 Metern hat. Insbesondere die Konzeption war nicht einfach, wir konnten sie in erster Linie dank eines Investors durchsetzen. Wir sind froh, dass es so ausgegangen ist, denn die beiden ursprünglich angedachten Leinwände hätten an der Wand ganz verloren gewirkt.

Bei der Gestaltung einer anderen Eingangshalle, diesmal bei der Firma Selmoni AG, haben Sie1993 in Basel erstmals Acryl anstelle von Ölfarben benutzt. Aufgrund dieser Erfahrung fanden Acrylfarben dann auch den Weg in Ihr freies Schaffen. Warum haben Sie beschlossen, sie zu verwenden?

Das war aus ganz utilitaristischen Gründen. Wir wollten nicht für längere Zeit in der Schweiz bleiben. Der Auftraggeber bot uns zwar ideale Bedingungen, die Zeit für die Ausführung war nahezu unbegrenzt, aber wir bereiteten alles zu Hause im Atelier vor, um das Gemälde vor Ort in so kurzer Zeit wie möglich umsetzen zu können. Diese Wand besteht aus 22 Leinwänden, allein das Vorzeichnen nahm vier Monate in Anspruch. Durch das Zusammensetzen der Leinwände entstand eine etwa 12 Meter lange und 3 Meter hohe Wand. Die Situation wurde dadurch erschwert, dass die Wand gebogen ist, sodass auch die Keilrahmen gebogen sein mussten. Damit war eine ganze Reihe technischer Probleme verbunden. Die Tatsache, dass Acryl schnell trocknet, erleichterte uns die Arbeit. Aus demselben Grund verwenden wir es letzten Endes auch für freie Werke. Dieser Wechsel hängt auch mit der Weiterentwicklung der Acrylfarben zusammen – früher waren sie so glänzend und satt, inzwischen sind sie den Ölfarben sehr ähnlich.

Wenn wir noch bei den verwendeten Techniken bleiben, hat sicherlich auch die Gestaltung der Galerien vor den Umkleidekabinen im Freibad Litvínov in der ersten Hälfte der sechziger Jahre Aufmerksamkeit verdient. Es handelte sich um 13 Betonplatten, die mit Latexfarben bemalt wurden. Ist es wahrscheinlich, dass es sich um eine der ersten Verwendungen von Latex in der tschechischen bildenden Kunst handelt?

Das kann sein. Damals war Latex in der Malerei sicher alles andere als gebräuchlich. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich denke, es hatte auch wieder einen praktischen Grund: Die Ausgestaltung des Freibades wurde nämlich vom örtlichen Chemiewerk finanziert, von dem ich damals offenbar die Farben bekam. Mit dem Bad wurde nämlich eigentlich das Projekt des berühmten Litvínover Gemeinschaftshauses fortgesetzt, das sich in seiner unmittelbaren Nachbarschaft befindet. Die Platten wurden leider bei der Rekonstruktion des Objekts übermalt, es sind nur ein paar Fotos erhalten.

Im Laufe Ihres Schaffens haben Sie zahlreiche Materialien verwendet – neben der klassischen Malerleinwand auch Holz, Stahl, Hart-PVC, Glas, Keramik und Porzellan. Wie wichtig ist für Sie das Material?

Das Material habe ich nie auf symbolische oder ähnliche Art und Weise verwendet. Ich habe mich immer nach praktischen Erfordernissen gerichtet. Aber ich habe mich nie gegen Experimente mit neuen Materialien gesträubt, ob es sich nun um das erwähnte Latex oder um Kunststoff handelte.

In Litvínov hatten Sie dann vor allem in den siebziger Jahren mehrere Gelegenheiten. Es handelt sich um die Verkleidung einer Wand im Kulturhaus, einen Fußweg und eine Wand an einem Einkaufszentrum sowie die Ausgestaltung der Schulkantine der Grundschule im nahegelegenen Ort Hamr. Ihr Werk am Einkaufszentrum wurde kürzlich restauriert, die Wand im Kulturhaus sogar nach vielen Jahren wiederentdeckt. Wie steht man in Litvínov zu Ihren Arbeiten?

Auftraggeber aller genannten Werke war das Chemiewerk in Záluží bei Most, wo mein Freund Zdeněk Karásek aus Louny als Vertreter des Investors arbeitete. Dank ihm konnte ich dort auch in der Zeit nach der Niederschlagung des Prager Frühlings einige Sachen verwirklichen. Die Wand am Einkaufszentrum war nach 1989 in einem schrecklichen Zustand, die Leute verwechselten sie mit einer Plakatwand und man hatte sogar ein Fenster für den Straßenverkauf von Eiscreme geplant. Kürzlich kam ein amerikanischer Experte dorthin und fragte nach den „berühmten Werken von Sýkora“. Erst wussten sie gar nicht, dass es dort so etwas überhaupt gibt. Dann ließ aber die Stadt den Fußweg und die Wand reinigen und weiß die Sachen hoffentlich auch zu schätzen. Letztes Jahr im Herbst haben wir in Litvínov eine Ausstellung veranstaltet, bei der auch diese Kunstwerke im öffentlichen Raum präsentiert wurden. Wir hoffen, das hat dazu geführt, sie mehr ins Bewusstsein zu rücken. Zweifellos hat sie aber die Wiederentdeckung der Wand im Kulturhaus möglich gemacht. Wir hatten sie für verloren gehalten, aber

zu unserem Erstaunen erinnerte sich jemand daran, dass etwas Derartiges hinter der Verkleidung aus Gipskarton versteckt ist. Bis jetzt haben wir nur ein Stück davon gesehen, das durch eine Öffnung in der abgenommenen Deckenverkleidung zu erkennen ist, braune und weiße Kacheln waren dort zu drei Dreiecken zusammengesetzt. Der Gipskarton hatte wohl denselben Zweck erfüllt wie die Asche in Pompeji. Zum Glück sind mehrere Skizzen erhalten geblieben, sodass eine eventuelle Restaurierung kein Problem wird. Es gibt schon Pläne, wie man das Mosaik in die rekonstruierten Räumlichkeiten des Gebäudes integrieren kann – es soll dort eine Spezialschule für Kunst geben.

Nach 1968 hatten Sie außer in Litvínov nicht viele Möglichkeiten, Ihre Entwürfe für Kunst am Bau zu verwirklichen. Trotzdem schufen Sie 1974 den Entwurf für einen gefliesten Fußweg in der niederländischen Kleinstadt Gorinchem, der auf dem Motiv der Struktur basierte. Das war bereits in der Zeit, als Sie in Ihrem freien Werk zu den Linien übergingen. Warum sind Sie im öffentlichen Raum noch dem älteren Ansatz treu geblieben und wie ist es Ihnen überhaupt gelungen, in Westeuropa einen Fußweg zu bauen?

Das war ganz einfach: Weil ich gar nicht dorthin gefahren bin – aufgrund eines Verbots vonseiten meines Arbeitgebers, der Pädagogischen Fakultät der Karlsuniversität. Anhand meines Entwurfs, den ich mit der Post geschickt hatte, wurden in den Niederlanden Keramikfliesen gebrannt und am dafür vorgesehenen Ort verlegt. Die Gestaltung des Fußwegs war Teil eines internationalen Symposiums und ich wurde von Antoinette de Stigter, die später meine Galeristin wurde, aufgefordert daran teilzunehmen. Sie kannte offenbar meine Arbeiten von internationalen Ausstellungen über konstruktive Strömungen oder von der Kasseler documenta. Die Struktur habe ich ganz einfach deswegen verwendet, weil ich erst ein Jahr mit Linien gearbeitet hatte und sie für das rechtwinklige Raster eines gefliesten Fußwegs ohnehin nicht geeignet gewesen wären. Im Jahr 2005 wurde in Gorinchem ein weiteres Symposium veranstaltet, das der Stadt zu neuen Werken verhelfen und an die Arbeiten erinnern sollte, die dreißig Jahre zuvor entstanden waren. Aus diesem Anlass wurden die Fliesen erneut gebrannt und der Fußweg auf einen kleinen Platz verlegt. Wir haben nur Fotos gesehen, aber es hat uns gefreut, dass die Eröffnung des Symposiums auf eben diesen Fliesen stattgefunden hat. Meine Arbeit wird dort außerordentlich geschätzt und in einer Weise bewahrt, wie ich es in Tschechien nie erlebt habe.

Aus der Zeit nach der Niederschlagung des Prager Frühlings stammen mehrere Entwürfe von Ihnen für den öffentlichen Raum, die in der Regel aber nicht umgesetzt wurden. Wie schwierig war es in dieser Zeit, Ihre Entwürfe durchzusetzen?
Man kann nur Vermutungen anstellen, was die konkreten Gründe waren, dass diese Entwürfe nicht verwirklicht wurden. Die Architekten waren offenbar gewillt, Aufträge an progressive Künstler zu vergeben, aber es war letztendlich nicht möglich. Zum Beispiel wurden beispielsweise auch Magdalena Jetelová, Olbram Zoubek und Věra Janoušková zu Entwürfen für den Prager Stadtteil Jižní Město aufgefordert, aber soviel wir wissen, wurde nichts davon umgesetzt. Bei den Aufträgen für Kunst am Bau ging es immer um relativ gutes Geld und in der Zeit nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wurden sie offenbar an die „Überzeugten“ vergeben. Dank der Nachforschungen von Pavel Kappel stoßen wir nun in unserem Archiv auf längst in Vergessenheit geratene Details und ganze Entwürfe; erst kürzlich haben wir das Modell zu einem strukturellen Relief für die damalige U-Bahn-Station „Leninova“ wiederentdeckt. Aber die Umstände der künstlerischen Gestaltung der Fassade eines Kaufhauses in Ostrava bleiben zum Beispiel vorerst im Dunkeln, weil der Entwurf nicht erhalten geblieben ist und das Gedächtnis für einige Dinge nicht ausreicht.

Ihr allererstes Werk für den öffentlichen Raum war das heute nicht mehr existierende Sgraffito, das Sie Ende der fünfziger Jahre im Hotel „Union“ in Louny gemeinsam mit Vladislav Mirvald geschaffen haben. Anschließend haben Sie noch den Vorhang für das Theater in Louny gemalt (1963). Worin bestand Ihre Zusammenarbeit?

Mit Mirvald war ich lange befreundet, ganze fünfzig Jahre fuhren wir gemeinsam mit dem Rad zum Malen unter freiem Himmel. Er lehrte damals am Gymnasium, aber im Theater war er in seinem Element, zum einen als Laienschauspieler, zum anderen als Bühnenbildner, er malte aber auch selbst Kulissen. Das Angebot, den eisernen Brandschutzvorhang künstlerisch zu gestalten war also ziemlich logisch. Nach meinem Entwurf malten wir ihn dann gemeinsam. Der Vorhang bestand aus sechs Eisenplatten, die sich an den Seiten hintereinander schoben. Ich entwarf eine schwarz-weiße geometrische Komposition, die wir bei der Ausführung noch weiter vereinfachten. Leider ging der Vorhang vor einigen Jahren verloren, noch vor Abschluss der Rekonstruktion des Theaters. Niemand weiß etwas von ihm, offenbar endete er in der Wertstoffsammlung ... Ihm wurde der mangelnde Kenntnisstand der Architekten des Theaters zum Verhängnis, die wahrscheinlich nicht ahnten, worum es sich handelt.

Zwei Ihrer wohl bedeutendsten Werke im öffentlichen Raum entstanden Ende der sechziger Jahre in Prag: eine Wandverkleidung in einer Passage in der Jindřišská-Straße und die Lüftungstürme des Letná-Tunnels, die in der Nähe des Technischen Nationalmuseums in die Höhe ragen. Bereits 1964 schrieb Luboš Hlaváček, dass Ihre Arbeiten für das Zusammenspiel mit der Architektur prädestiniert sind. Wie nehmen Sie Ihre Werke wahr? Handelt es sich um die bloße Übertragung von Ansätzen aus der Malerei oder betrachten Sie sie als ein völlig eigenständiges Kapitel Ihres Schaffens?

Die Strukturen, zu denen ich ein paar Jahre zuvor in meinen freien Arbeiten gefunden hatte, waren ihrem Wesen nach regelrecht dafür prädestiniert, in einem großen Maßstab umgesetzt zu werden, denn eine wichtige Eigenschaft von ihnen ist ihre Unendlichkeit, ihre Fortsetzung nach allen Seiten hin; deshalb habe ich damals auch für meine freien Arbeiten große Formate gewählt. Später zeigte sich, dass nicht nur die Strukturen, sondern auch die Linien das Potenzial haben, in die Architektur integriert zu werden. Gleichzeitig betrachte ich sie aber als eigenständige Kunstwerke. Zu diesen Werken im öffentlichen Raum kam ich eigentlich ganz zufällig: Ich wurde vom Architekten der beiden Projekte, von Josef Kales (damals Angestellter der Militärischen Projektierungsanstalt), angesprochen, der meine Arbeiten bei mehreren Ausstellungen gesehen hatte. Diese Werke spielten für mich eine Schlüsselrolle, denn ich konnte austesten, wie sich die Struktur als solche verhält.

Ihre keramische Wandverkleidung in der Jindřišská-Straße wurde 2005 im Zuge der Umgestaltung des Raums durch die Innenarchitektin Barbora Škorpilová teilweise überdeckt ...

Mit uns wurde das nicht diskutiert, wir haben keinen Bauplänen zugestimmt. Bis Mitte der neunziger Jahre waren die Fliesen alles in allem in Ordnung, danach gab es dort aber, als die Unterführung instand gesetzt wurde, eine Umzäunung, sodass jemand die Wand in aller Ruhe besprühen konnte. Irgendwann nach 2003 entstand das Projekt für ein Café, in das die Wand einbezogen werden sollte. Wir waren begeistert, wir dachten, wenn die ursprüngliche Außenwand Teil eines Innenraums wird, kann ihr nichts mehr passieren, allenfalls könnte jemand eine Palme davorstellen ... Uns kam nicht in den Sinn, dass etwas viel Schlimmeres eintreten könnte. Wir bekamen eine Einladung zur Eröffnung, für die sogar das Motiv der Struktur verwendet worden war, ohne dass jemand um Erlaubnis gefragt hätte. Als wir das Resultat mit eigenen Augen sahen, waren wir – gelinde gesagt – mehr als enttäuscht. Für die Architektin habe das Mosaik eine Herausforderung dargestellt ...

Haben Sie sich um Wiedergutmachung bemüht?

Wir wollten keine Energie mehr in etwas investieren, das nicht mehr rückgängig zu machen ist. Es wäre schwierig, es jetzt noch anders zu lösen. Zum Glück ist die Wand nicht zerstört, die eingebaute Etage durchschneidet sie zwar optisch und verschattet sie, ist aber gleichzeitig um sie herum gebaut. Wir hoffen also, dass der nächste Architekt mehr Rücksicht nimmt und einen Weg findet, sie in sein Werk einzubeziehen und sie gleichzeitig zur Geltung zu bringen. In der jetzigen Form ist sie nur eine abwaschbare Wand hinter der Bar.

Die Lüftungstürme des Letná-Tunnels wurden dagegen zum Kulturdenkmal erklärt ...

Ja, im Jahr 2003. Einen großen Anteil daran hat Petr Vaňous, der in dieser Zeit im Denkmalschutzamt arbeitete. Die Türme sind in einem guten Zustand, auch die gegenwärtig schlechte Luft hat keinen allzu großen Einfluss auf sie. Es handelt sich um ein sogenanntes Harus-Mosaik, kleine schwarze und weiße Glaswürfel, die in Jablonec nad Nisou hergestellt wurden. In diesem Jahr jährte sich die Fertigstellung der Verkleidung der Türme zum vierzigsten Mal, wir planen aus diesem Anlass im Februar eine Ausstellung in der Galerie Zdeněk Sklenář mit dem Titel Letná XL. Wir würden gern am konkreten Beispiel des Mosaiks die Methode für die Gestaltung einer Struktur erläutern und so versuchen, die häufig gebrauchte Bezeichnung als Op-Art zu widerlegen. In diesen Tagen entsteht ein Dokumentarfilm, in dem sich Persönlichkeiten der tschechischen Architektur- und Designszene, Künstler, Kuratoren und Kunstwissenschaftler vor dem Mosaik äußern und ihre Beziehung zu diesem Werk in Worte fassen.

Häufig wird betont, dass Sie der erste tschechische Künstler sind, der für seine Arbeit den Computer verwendet hat. Anhand der eingegebenen Ausgangsparameter bestimmte er das Aussehen der Strukturen und auch heute generiert er die Zufallszahlen, die Sie für die Linienbilder nutzen. Im Jahr 1964 haben Sie begonnen, mit dem Mathematiker Jaroslav Blažek zusammenzuarbeiten, in dem Bemühen, das subjektive Element und den Zufall aus Ihrem Werk zu verbannen, die späteren Linien beruhen dagegen auf dem Zufallsprinzip. Was hat Sie zu dieser Wende veranlasst, die von außen betrachtet ziemlich radikal wirkt?

Es handelt sich nicht um eine Wende und auch nicht um einen Bruch, wie mitunter zu lesen ist. Es war eine allmähliche Entwicklung von einem Bild zum nächsten. Anfang der siebziger Jahre habe ich mir selbst eine Makrostruktur vor die Augen gehalten, auf der die Elemente vergrößert waren und eine Art Sinuskurve bildeten – das war der Weg zur Linie. Die Verwendung des Zufalls für das neu aufgebaute System schien mir damals logisch. Bei den Linien geht es nicht um den Zufall, sondern um Zufälligkeit im Sinne eines größeren Maßes an Objektivität.

Empfinden Sie das Malen der Linien, bei dem Sie sich nach einer zuvor erstellten Partitur richten und stundenlang die vorgegebenen Flächen ausmalen müssen, als eine gewisse Form der Meditation?

Als Meditation kann man es vielleicht in dem Sinne betrachten, dass man sich einer Sache vollkommen hingibt, dass man in dieser Phase nicht mehr seinen eigenen Willen durchsetzt ... Mit seinem Geist darf man sich allerdings nicht allzu weit entfernen, denn dann droht, dass man auf der Leinwand einen Fehler macht. Das Zeichnen und Malen der Linien ist physisch und psychisch anspruchsvoll, oft dauert die Fertigstellung eines Bildes mehrere Monate. Es ist aber eine herrliche Arbeit.

In den Linienbildern nehme ich eine starke Energie wahr. Ist das eine korrekte Interpretation?

Es muss Energie darin sein, denn wir haben Energie hineingesteckt. Sie konnte ja nicht verloren gehen...

Es muss Energie darin sein

Gespräch mit Zdeněk Sýkora und Lenka Sýkorová für die Zietschrift "Stavba", Nr. 1, 2009, S. 4 - 6, geführt von terezie Nekvindová
Originaltitel: Energie tam musí být
Thema: Werke im öffentlichen Raum

Gespräch mit Zdeněk Sýkora und Lenka Sýkorová für die Zeitschrift „Stavba“, Nr. 1, 2009, S. 4–6, geführt von Terezie Nekvindová

Originaltitel: Energie tam musí být