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Jan Andres gehört zu den wenigen „Eingeweihten“, die das Werk Zdeněk Sýkoras (1920–2011) sehr genau kennenlernten, weil sie Einblick in Materialien erhielten, die nur in besonderen Fällen aus der Schublade hervorgeholt werden. Mein Mann begrüßte vor Jahren das Angebot für einen Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft und war neugierig auf das Ergebnis dieser Annäherung zweier Welten...
Jan Andres und ich sind seit über zehn Jahren gut miteinander bekannt, obwohl wir uns nur einige Male getroffen haben. Zu unserem ersten schriftlichen Kontakt kam es 2005 – damals hatten Zdeněk und ich begeistert auf seinen Text über mathematische Zopfmodelle reagiert. Bald darauf kam in Louny ein dicker Umschlag mit Dutzenden Fachartikeln an, deren Autor oder Mitautor Jan Andres, Professor der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Palacký-Universität Olomouc, war. Schon allein die Titel dieser Texte (zum Beispiel: Phänomenologie ästhetischer Proportionen; Drei Quellen und drei Teile der geometrisierenden Visionen Ladislav Daněks; Roma matematica; Graziotti, Escher und Artware; Über die neue Naturwissenschaft und die Notwendigkeit einer neuen Naturphilosophie; Zeit und Ewigkeit) weisen darauf hin, dass ihr Autor nicht allein Mathematiker ist, und ihr Inhalt belegte, dass die Bandbreite seiner Interessen, der Umfang seines Wissens und die Tiefe seines Denkens bewundernswert sind. Noch ein paar Jahre blieben wir eher zurückhaltend, schrieben einander Briefe, verschickten Bücher und Kataloge, Einladungen, Informationen und Neujahrsgrüße. Im Juli 2008 kam Jan Andres zu Besuch nach Louny. Beim Rundgang durch das Haus verweilten wir vor jedem Bild, diskutierten begeistert über neue Erkenntnisse, über jedes Detail, aber auch über Kunst im Allgemeinen. Wir waren natürlich auch im Atelier und zeigten ihm die Bleistiftkonstruktion zu einem begonnenen Bild, auch die Hefte mit den Partituren, die Zeichnungen mit den Linienverläufen außerhalb der Bildfläche, die Hilfsleinwände, die Berechnungen. Unsere Diskussion setzte sich dann in der Küche fort. Zdeněk lächelte und ab und zu beteiligte er sich mit einer witzigen und treffenden Bemerkung. Das war der Beginn unserer Freundschaft.
Schon bald nach diesem Treffen kam ein weiterer dicker Umschlag in Louny an, diesmal mit einem einzigen Text: Das Werk Zdeněk Sýkoras aus Sicht eines Mathematikers. Verbunden war damit die Bitte um Anmerkungen und Kommentare, denn Jan war durchaus bewusst, dass einige seiner Behauptungen noch präzisiert, ergänzt und begründet werden müssen. Fast ein Jahr lang diskutierten wir telefonisch und tauschten per Post mit Kommentaren versehene Textversionen aus. Im Juli 2009 trafen wir uns dann wieder, natürlich in Louny. In meiner Erinnerung war das ein spannendes Seminar, es wurde wissenschaftlich geforscht, man definierte Begriffe und näherte sich menschlich einander an. Alle Beteiligten fühlten sich durch diese Begegnung bereichert.
Die Präzisierung des betreffenden Textes nahm noch einige Monate in Anspruch. Hier wird nun die Endversion vom Mai 2010 veröffentlicht. Schon damals war ich als Herausgeberin einer monografischen Reihe über Zdeněk Sýkora davon überzeugt, dass der Text besonders wegen seiner inhaltlichen Qualität und Genauigkeit, aber auch wegen seines ungewöhnlichen Blickwinkels und der umfassenden Perspektive ein selbstverständlicher Teil des geplanten Bandes „Strukturen“ werden würde. Eine kunstwissenschaftliche Studie über die Strukturen kam leider bisher nicht zustande. Deshalb beschloss ich, den Text Das Werk Zdeněk Sýkoras aus Sicht eines Mathematikers in dieser eigenständigen Publikation zu veröffentlichen, die in zwei Sprachen erscheint.
Parallel dazu beschäftigte sich Jan Andres auch mit Erwägungen über Sýkoras Schaffen im Zusammenhang mit dem Werk des großen französischen Künstlers, Weggefährten und Freundes meines Mannes, François Morellet (1926–2016), den er auch persönlich in seinem Atelier in Cholet besuchte. Jans Studie mit dem Titel Zdeněk Sýkora und François Morellet: Parallelen und Komplementarität wurde 2014 in der prestigeträchtigen internationalen Zeitschrift „Leonardo“ veröffentlicht. In diesem Jahr bereicherte er seine Sýkora-Bibliografie um den Text Der Strukturalismus der Strukturen von Morellet und Sýkora. Zusammen mit den Texten anderer Wissenschaftler wurde er im Katalog der Ausstellung „The Ticklish Structure“ veröffentlicht.
Zdeněk Sýkora hat uns im Sommer 2011 verlassen, aber Jan und ich setzen den freundschaftlichen Dialog über sein Werk fort. Uns verbindet der Wunsch, es noch genauer kennenzulernen, zu analysieren und auch der Öffentlichkeit bekannt zu machen, es in einen internationalen Kontext zu stellen.
Lenka Sýkorová, Mai 2017
Konzeption des Buches, Einleitung und Redaktion: Lenka Sýkorová
Autor: Jan Andres
Tschechisch und Deutsch, Übersetzung: Angela Lindner
Grafische Gestaltung: Zdeněk Ziegler, Druckvorbereitung: Jan Bouček
Format: 235 x 235 mm, 60 Seiten
Verlag: Přátelé Zdeňka Sýkory, Louny 2017
ISBN 978-80-270-2723-1