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Der Beginn der sechziger Jahre ist für die weitere künstlerische Entwicklung Zdeněk Sýkoras (1920) von entscheidender Bedeutung. Das Jahrzehnt der Landschaftsmalerei, dessen Höhepunkt der Zyklus „Gärten“ (1958–1960) bildet, ist zu Ende. Danach lösen sich seine Bilder allmählich aus der Abhängigkeit von der abgebildeten Wirklichkeit und werden zu eigenständigen abstrakten Kompositionen (1960–1962), die „lediglich“ die Suche nach den Beziehungen zwischen Formen und Farben zum Thema haben. Die anfänglichen Kreisformen in diesen Kompositionen — Überbleibsel der organischen, aus der Natur abgeleiteten Formen — werden zunehmend geometrisiert, auf den Bildern erscheinen Vierecke, Dreiecke, Vielecke. Durch die wiederholte Modifizierung und Präzisierung der Beziehungen zwischen den Farben und Formen mithilfe der Malspachtel entstehen pastöse Aufträge. Die Farbgebung der Bilder ändert sich jedoch schon bald — von fauvistisch gestimmten Gemälden über die Brauntöne von Farberde bis zur Reduktion auf neutrale Farben: schwarz, weiß und grau, die durch reine Farben, zum Beispiel rot oder blau, ergänzt werden. Dadurch verschwindet auch die deutliche künstlerische Handschrift der früheren Gemälde zugunsten glatter Flächen. Alle diese parallel ablaufenden Prozesse haben, wie der Künstler selbst sagt, ihren Ursprung „in dem zunehmenden Bemühen, subjektive Verzerrungen zu eliminieren. Dem entsprachen die handschriftlosen farbigen geometrischen Flächen, die eine objektivere Offenlegung der Ausdrucksmöglichkeiten der vorhandenen künstlerischen Mittel ermöglichten.“ Diese Bilder bezeichnet der Künstler als großflächige Geometrien.
Im Zusammenhang mit eben diesen Gemälden entstehen geometrische Studien (1961–1962). Die meisten von ihnen dienen der Vorbereitung geometrischer Kompositionen, die in Öl ausgeführt werden, meist im Format 135 x 120 cm. Bei diesen Studien versucht der Künstler, auf einer kleinen Papierfläche (maximal A4) in Collagentechnik oder mit Temperafarben und Tusche die geometrischen Formen zu definieren, und sucht nach ihren gegenseitigen Farbverhältnissen. Die Bilder entstehen in der Regel durch die Verbindung von Punkten, die an den Rändern des Formats platziert werden, mithilfe eines Netzes von Vertikalen, Horizontalen und Diagonalen. (Dieselbe Methode verwendete Zdeněk Sýkora auch 1962 beim Entwurf für das Schwarz-Weiß-Dekor des eisernen Vorhangs im Fučík-Theater Louny.)
Einige Studien wurden nicht in Bilder umgesetzt, zum Beispiel die „Studie zur nicht realisierten Komposition“, 1961, Collage / Papier, 23,8 x 19,2 cm. Andere Studien sind der einzige Beleg für Bilder, die nicht mehr existieren, so gibt es zum Beispiel zu dem Bild „Blaue Vierecke“ von 1962, das ein Format von ca. 200 x 135 cm hatte und nur bruchstückhaft auf der Rückseite eines anderen Bildes erhalten ist, sogar drei Studien – Tempera / Papier, 30 x 20, 7 cm; Tempera, Collage / Papier, 19, 8 x 13, 3 cm; Tempera, Collage / Papier, 19, 8 x 13, 4 cm. Auch zu anderen geometrischen Kompositionen gibt es gleich mehrere Studien, zum Beispiel zu folgenden Bildern: Roter Pfeil, 1962, Öl / Jute, 120 x 120 cm; Ohne Titel, 1962, Öl / Leinwand, 135 x 120 cm; Komposition I, 1961, Öl / Leinwand, 135 x 120 cm; Entwicklung einer schwarzen Fläche, 1960–1961, Öl / Leinwand, 98 x 65 cm. Trotzdem ist das Gemälde letztlich nie mit einer der Studien identisch. Die Umsetzung der Kompositionen war immer, auch wenn es einen Entwurf gab, die Fortsetzung des Findungsprozesses.
Die Bedeutung der geometrischen Kompositionen und auch der Studien als deren Vorstufe war auch Zdeněk Sýkora bewusst. In einem Interview mit Vítek Čapek Mitte der achtziger Jahre beschrieb er seinen Weg zu den Strukturen (1962–1974), die für mehr als zehn Jahre zum Gegenstand seiner künstlerischen Auseinandersetzung wurden: „Zu den strukturellen Arbeiten gelangte ich durch die schrittweise ‚Objektivierung‘ und Reduktion der Ausdrucksmittel auf farbig-flächige, geometrisierte und in allen Positionen ausgewogene Gebilde. Dieses Zeichen bzw. Element, das ich in der Farbgebung auf Weiß, Grau und Schwarz reduzierte, um möglichst keine Assoziativität zuzulassen, forderte regelrecht dazu heraus, es anzuordnen, zu drehen und zu gruppieren. Klees Definition der Struktur als teilbares, dividuelles System bildete dann den Ausgangspunkt für meine weitere Arbeit.“
Die geometrischen Kompositionen wurden viele Male in Ausstellungen gezeigt. Das erste Mal im Februar 1963 bei der Gruppenausstellung MS 63 in Prag, also in einer Zeit, in der Zdeněk Sýkora in seinem Atelier in Louny bereits an der Fertigstellung seiner „Grauen Struktur“ arbeitete. Bei allen Sýkora-Retrospektiven wurden diese Bilder als Fortsetzung des Zyklus „Gärten“ und gleichzeitig als Ausgangspunkt für die Strukturen präsentiert. Die geometrischen Studien wurden dagegen nur zweimal ausgestellt, und auch da nur in einer engen Auswahl. In der White Gallery werden sie erstmals zum zentralen Thema einer Ausstellung.
In: Katalog „Zdeněk Sýkora Geometrické studie“ (1961-1962), White Gallery, Osík u Litomyšle, 2011
Autorin: Lenka Sýkorová, 2011
Thema: Strukturen