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Im Juli vergangen Jahres trafen sich am Ufer der Eger (Ohře) in Počedělice erstmals die Freunde Zdeněk Sýkoras und die Bewunderer seines Werkes zu einem Gedenknachmittag. Der Einladung waren vorwiegend Besucher aus Louny, der Stadt, in der Zdeněk Sýkora geboren war und sein ganzes Leben verbracht hatte, aber natürlich auch aus Počedělice und den umliegenden Ortschaften gefolgt, von wo sie zu Fuß oder mit dem Rad gekommen waren. Auch eine große Gruppe von Freunden und Bekannten aus Prag war eingetroffen, sogar einige Ausländer. Es war ein sonniger Sommertag, über den Köpfen der Gäste zogen am Himmel Wolken vorüber und spiegelten sich in der ruhig dahinfließenden Eger, es breitete sich eine seltsame Stille aus, in der man den Gesang der Vögel hören konnte, es war, als sei die Zeit stehen geblieben ... Plötzlich sahen alle diesen Ort mit den Augen des Künstlers und begriffen, wie malerisch er ist. Zum ersten Mal wurde ihnen hier auch die Gedenktafel präsentiert, an deren Entwurf ich mit Sýkoras engsten Freunden — Vladimír Hubička und Zdeněk Ziegler — zusammengearbeitet hatte. Die Tafel wurde bei dieser Gelegenheit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und als Geschenk der Gemeinde überlassen. Die Gedenkveranstaltung war ursprünglich die Idee mehrerer Personen, die sie aber ohne das Entgegenkommen der Vertreter der Gemeinde Počedělice, vor allem der Bürgermeisterin Eva Smetanová, und die Kooperation der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, die zusammen mit dem Wasserwirtschaftsbetrieb Povodí Ohře beim Herrichten des Flussufers und bei der Organisation des Treffens behilflich waren, nicht hätten durchführen können. Die Tafel und die in der Nähe aufgestellten Bänke wurden von mehreren Unternehmen gesponsert – in erster Linie von den Firmen Felux Vršovice, CHPS Chomutov, Zinkpower Roudnice und der Tischlerei Václav Pastyřík, und alle rechtlichen Angelegenheiten wurden für uns kostenlos von der Anwaltskanzlei Jaroslav Trkovský geregelt. Die Sponsoren nahmen ebenfalls an der samstäglichen Feier teil und sicher war es für sie eine Genugtuung, dass die Veranstaltung von den zahlreichen Anwesenden begeistert aufgenommen wurde und später auch in der Regionalpresse ein sehr positives Echo fand.
Nach der offiziellen Eröffnung und mehreren kurzen Ansprachen gingen die Gäste noch nicht auseinander, sie blieben in Počedělice und genossen die feierliche Atmosphäre des Sommernachmittags. Einige suchten an den beiden Ufern des Flusses nach Bildmotiven, andere standen auf dem Damm oder saßen auf dem Dorfplatz, tranken etwas und unterhielten sich. Der Grundgedanke des Treffens war Wirklichkeit geworden: Im Mittelpunkt standen die Erinnerungen. Einige gedachten an Zdeněk Sýkora als ihren Kollegen oder Lehrer an der Fakultät, andere erinnerten sich an ihn als Leiter des Malzirkels, als Saunafreund, Mitspieler beim Hockey oder als Nachbarn, die meisten hatten ihn als Maler erlebt, den sie über Jahre hinweg mit Staffelei und Leinwand in der Natur gesehen hatten. Wir verabschiedeten uns am späten Nachmittag und schon damals wurde der Wunsch laut, sich in einem Jahr wieder zu treffen.
Und warum gerade um diese Zeit und an diesem Ort?
Von dem Moment an, als mich mehrere Freunde um ein Treffen zum Gedenken an den zweiten Todestag meines Mannes gebeten hatten, begann ich über die Frage nachzudenken, wo ein solches Treffen stattfinden sollte. In einer Galerie oder im Museum, wo er doch sein ganzes Leben der Kunst geweiht hatte und die meisten Menschen ihn als Maler – von Landschaften, Strukturen oder Linien – kannten? Es war keine Ausstellung geplant und alle befreundeten Museen, die Bilder von Zdeněk Sýkora besitzen, sind weit entfernt, meist im Ausland. An der Pädagogischen Fakultät in Prag, wo er dreißig Jahre lang tätig war und seine praktischen und theoretischen Kenntnisse an die nächsten Generationen weitergegeben hatte? Obwohl er dort und an der Philosophischen Fakultät auch schöne Zeiten erlebt hatte und seine Studenten immer noch gern an ihn zurückdenken, war er, nachdem er in Rente gegangen war, nie wieder am Institut für Kunsterziehung gewesen, auf Einladungen dorthin hatte er nicht reagiert. Dort hätte er sich also wahrscheinlich nicht wohlgefühlt. Ein traditionelles Treffen auf dem Friedhof? Friedhöfe hatte er nicht gerade gern gemocht. Und wäre es überhaupt angebracht, gerade dort an jemanden zu gedenken, der für uns unsterblich ist? Ich versuchte, mir vorzustellen, wo er sich gern mit uns getroffen hätte. Am liebsten irgendwo draußen, in der Natur, denn im offenen Raum fühlte er sich wohl, er mochte Wasser, Wind und Licht. In einem Interview sagte er: „Zu meinen ersten starken Eindrücken aus der Kindheit gehört der Blick auf die dahinziehenden Wolken. Und es faszinierte mich auch der Horizont – als ein Ort, an dem die Landschaft endet und hinter dem etwas weitergeht. Die Sehnsucht nach der Ferne liegt in meiner Natur, und wenn ich nicht ins Freie kann, leide ich.“ „Für mich ist das Malen in der Natur die Befriedigung meines Bedürfnisses nach freiem Raum. Es ist eine Form der künstlerischen Kontemplation und eine Kraftquelle.“ Sicherlich hat er auch deshalb so gern Landschaften gemalt. Das häufigste Thema seiner Bilder war seine geliebte Eger. Er hat sie zu allen Jahreszeiten festgehalten und die Motivauswahl hätte auch den Meistern des Impressionismus zur Ehre gereicht: Immer suchte er nach Spiegelungen, Lichtreflexen, Schatten, Wolken, Himmel. Die Bilder zeigen herrliche Ansichten des sich dahinschlängelnden Flusses und könnten eine topografische Beschreibung der Region Louny oder einen Touristenführer illustrieren. Neben den genannten Gemeinden bilden auch andere Orte an der Eger Motive für Sýkoras Bilder – Lenešice, Dobroměřice, Lužerady, Černčice, Vršovice, Obora, Loužek, Počedělice, Orasice, Kystra und selbstverständlich auch seine Heimatstadt Louny. Ein Motiv findet man aber auf diesen Bildern am häufigsten – die Eger bei Počedělice. Er fuhr schon ab dem Ende der vierziger Jahre mit Leinwand und Staffelei dorthin, wie die Titel mehrerer relativ großer Bilder im Katalog seiner ersten Einzelausstellung belegen, die 1952 im Aleš-Saal (Prag) stattfand. Aber wir fuhren auch noch in den achtziger und neunziger Jahren gemeinsam an diesen Ort. Er gehörte zu seinen Lieblingsplätzen, hier hatte er sich immer wohlgefühlt. Die Antwort auf die Frage, wo wir uns treffen werden, war also gefunden: in Počedělice.
Bei der Planung des Gedenknachmittags kam der Gedanke auf, alle einzuladen, bei denen wir sicher waren, dass ihnen ein solches Treffen Freude machen würde, und wir hatten auch die Idee, diesen Ort mit einer Gedenktafel zu versehen und so auch die breite Öffentlichkeit über einige Aspekte aus dem Leben und Werk des Künstlers zu informieren. Und wieder stand ich vor der Entscheidung: Welchen von den vielen Orten, an denen Zdeněk Sýkora in Počedělice gemalt hatte, sollte ich auswählen? Die kleine, zwischen Bäumen versteckte Wiese oder die Uferwiese, von der aus das meistgemalte Motiv der Eger in Počedělice gut zu sehen ist: ein Blick flussabwärts, wobei die rechte Seite des Bildes im Vordergrund die Fläche eines Feldes und im Hintergrund farbige Busch- und Baumgruppen bilden, oft sind auch die Spitzen der Pappeln hinter der Brücke zu sehen, auf der linken Seite zwischen den Bäumen blitzen die Häuser des Dorfes hervor, in der Mitte befindet sich der Fluss, in dem sich alles spiegelt, natürlich auch der Himmel, der, je nach Tages- und Jahreszeit, dutzende Gesichter hat. Beide Stellen befinden sich am rechten Ufer der Eger, sie sind weiter von der Ortschaft entfernt und boten deshalb absolute Ruhe und Konzentration für die Arbeit, vor allem in den Zeiten des Malzirkels, den Zdeněk Sýkora ab 1960 in Louny leitete. Zwanzig Jahre lang fuhr eine Gruppe junger Kunstadepten mit ihm hierher und bis heute denken viele von ihnen daran zurück, wie sie hier gemalt haben. Die kleine romantische, zwischen Bäumen versteckte Wiese haben wir noch in den achtziger und neunziger Jahren auch oft gemeinsam aufgesucht, wir nahmen unsere Gäste dorthin mit und badeten im Fluss. Heute sind diese beiden Stellen jedoch schlecht zugänglich und am zugewucherten Ufer kann man weder malen noch baden.
Für das Aufstellen der Tafel hätten wir auch die Stelle am rechten Flussufer hinter der Brücke wählen können, an der langen Pappelallee, deren Bäume ebenfalls zu einem beliebten Motiv von Sýkoras Bildern wurden. Sicherlich waren es diese Bäume, die er im Sinn hatte, als er 1980 Jindřich Chalupecký Folgendes über seine Arbeit schrieb: „Mit der Arbeit an meinem ersten seriellen Bild (Graue Struktur) begann ich sofort mit einer mir unbekannten Erregung. Kurz vor der Vollendung des Bildes, war mir klar, dass für mich etwas sehr Wichtiges geschehen war. Zuweilen packte mich das Entsetzen, wohin es mich da eigentlich verschlagen hatte. Schon bald wurde mir aber bewusst, dass ich wieder am Anfang stand. An den Pappeln zitterten die Blätter und der Fluss glitzerte.“ Der letzte Satz ist ein Beleg dafür, wie tief sich ihm das damals so oft durchlebte Gefühl eingeprägt hatte, wie wichtig es für ihn war, an der Natur festzuhalten, ständig mit ihr in Kontakt zu sein. Die Pappeln in Počedělice stehen nach wie vor, aber sie sind nach so vielen Jahren riesig groß geworden, sie bilden am Fluss eine Art Schutzwall, eine geschlossene Farbmasse. Sie würden wohl inzwischen ein Hochformat brauchen.
Eine weitere Möglichkeit war ein Treffen am linken Ufer der Eger, sozusagen im Dorf, in der Nähe des alten steinernen Hochwasserschutzdamms. Es gibt zwar nur einige wenige Bilder, die an diesem Ort gemalt wurden, aber in der Zeit, als wir nicht mehr zum Malen in die Natur fuhren und die kleine Wiese nicht mehr zugänglich war, saßen wir gern an dieser Stelle und beobachteten den Fluss. Schließlich entschieden wir uns aus vielerlei Gründen für diesen Ort, um dort die Gedenktafel aufzustellen (einer der Gründe war rein praktischer Natur – im Unterschied zu den anderen befindet er sich auf dem Gebiet der Gemeinde Počedělice). Die Tafel sollte alle Počedělicer Motive Sýkoras symbolisch vereinen, denn von dem Ort, an dem sie steht, hat man beide Seiten im Blick und kann mit den Augen des Malers alles sehen, was er hier gesucht und in Fülle gefunden hatte – vielfältige Baum- und Buschformen und ihre verschiedenfarbigen Schatten auf der Wasseroberfläche, die am Himmel, aber auch im Fluss dahintreibenden Wolken, die Lichtreflexe der Sonnenstrahlen auf dem Wasser.
Viele Bewunderer von Sýkoras Werk werden vielleicht einwenden, dass sein Profil als Vertreter der abstrakten und später konkreten Malerei, als Vorkämpfer des Computergebrauchs in der Kunst, als Maler von Strukturen und Linien, die ihn zu Hause und in der Welt bekannt gemacht haben (eigentlich umgekehrt – zuerst in der Welt, und als es dann geduldet war, auch zu Hause) durch einen so starken Fokus auf der Landschaftsmalerei verfälscht wird. Er selbst hat aber immer gesagt: „Vom Empfinden der Landschaft führte mein Weg zur Kunst. Ich habe keinen Grund, der Landschaft nicht die Treue zu halten.“ Und in einem Interview im Jahr 2000 betonte er erneut: „Die Landschaft hat mich immer stark angezogen und tut dies bis heute. Der Blick auf ein sich wellendes Getreidefeld ist doch einfach überwältigend.“ Nicht weniger wichtig ist es, in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass zu einem erstklassigen Werk immer ein Weg führt (führen sollte) und dass die Landschaftsmalerei für Zdeněk Sýkora eine Ausgangsbasis bildete,nach deren Bewältigung er sich selbst das Recht zugestand, darüber hinaus zu gehen. Niemand könnte das besser definieren als er selbst: „Meine Malerei entstand aus Liebe zur Natur und zur Kunst, die vor mir da war.“ Und an anderer Stelle: „Alles war spontan. Bevor ich nach Prag kam, lag eine Phase surrealistischer und kubistischer Bilder hinter mir. An der Universität begann ich jedoch mit dem Naturstudium und stellte fest, dass ich, wenn ich eine Flasche malen sollte, nicht dazu in der Lage war. Ich musste zu den Wurzeln zurückkehren. Alles vollzog sich im direkten Kontakt mit konkreten Dingen. Ich malte im Freien. Vom realistischen beschreibenden Malen ging ich zum Impressionismus über. Das geschah ganz von selbst. Ich befreite die Farbigkeit von ihren Fesseln, ich stellte fest, dass die Farbe ein eigenständiges Instrument ist, das seine eigene Sprache und seinen eigenen Sinn hat, mit dem man aber die Natur interpretieren kann. Durch das Studium war ich eigentlich ein Nachzügler. Ich bahnte mir allein meinen eigenen Weg, während viele meiner Altersgenossen direkt zu übernehmen versuchten. Deshalb führte mein Weg anderswohin. Über die Natur.“ „Bis heute bin ich froh, dass ich dieses Martyrium auf mich genommen, es durchlebt habe, denn das war keine Kunstakademie, wir lernten nicht, Bilder zu machen, wir lernten zu sehen.“
In der Natur zu malen, hatte er erst Ende der vierziger Jahre begonnen. Er erlegte sich freiwillig eine Lehrzeit auf, die er zusammen mit seinem Freund, dem Maler Vladislav Mirvald, zehn Jahre lang durchlief; eine Schule der realistischen, impressionistischen und fauvistischen Malerei nach dem Vorbild seiner Lieblingsmaler – von den Barbizonisten über Monet, Cézanne, Matisse, aber auch Slavíček und Prucha. Und während die geliebten französischen Impressionisten ihr von den Barbizonisten geerbtes Motiv, den Wald in Fontainebleau südlich von Paris, oder nördlich der Stadt Motive am Fluss Oise hatten (der übrigens auch zwischen dichtem Buschwerk mäandert) und die Maler der Schule von Pont-Aven den kleinen Ort in der Bretagne in Beschlag nahmen, hatten sich die jungen Maler aus Louny nach deren Vorbild das Tal hinter Brloh und den Fluss Eger ausgesucht. Josef Hlaváček, ein aus Louny stammender Ästhet und Freund der beiden, der zwanzig Jahre in ihrer Nähe lebte, erinnert sich daran: „In den fünfziger Jahren konnte man in den Straßen von Louny häufig – vom Frühjahr bis zum einsetzenden Winter – zwei jungen Männern auf Fahrrädern begegnen; auf dem Rücken hatten sie schon teilweise bemalte oder frisch grundierte Leinwände befestigt und hinten auf den Gepäckträgern transportierten sie alte Aktentaschen mit Verndünnern und Farben. Die beiden waren Vladislav Mirvald und Zdeněk Sýkora. Das Egergebiet und das Böhmische Mittelgebirge waren für sie Fontainebleau und Barbizon in einem. Einmal transportierten sie sogar ein großformatiges Bild, indem, während sie hintereinander fuhren und mit einer Hand lenkten, der erste den vorderen Rand und der andere hinter ihm den hinteren Rand festhielt. Ich erinnere mich nicht daran, was auf dem Bild war, aber seine Größe entsprach dem bekannten Blick von der Stelle zwischen der Schwarzenberg-Brauerei und Černčice, das zum Erstaunen aller Besucher die Sýkora-Ausstellung im Haus der Kunst in Brno eröffnete, die Jiří Valoch in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre veranstaltete. Dieses Bild bezeichnet Sýkora als Bruegel´sches Gemälde.“ Aber in die Natur fuhr Zdeněk Sýkora auch dann noch zum Malen, als er Anfang der sechziger Jahre zu den Farbflächenbildern des Zyklus „Gärten“, von ihnen zu den geometrischen Abstraktionen, 1962 zu den Strukturen und 1973 zu den Linien gefunden hatte. Das Malen in der Natur stellt nämlich permanent die Sinne eines jeden Malers auf die Probe, immer neu muss er nach einem Motiv suchen, aufmerksam schauen, die Formen und Farben untersuchen, sein Augenmerk auf Licht und Schatten sowie die Sonne richten, den richtigen Platz einnehmen, sich auf die Arbeit konzentrieren, „sich durch das Bild denken“. Zdeněk Sýkora nahm diese Malerei sehr ernst und mochte es nicht, wenn dabei gesprochen wurde. Jeder Pinselstrich war durchdacht, das Malen war für ihn eine Freude, keine Routine, deshalb ist jedes Bild anders, auch wenn er zum selben Thema mitunter dutzende Bilder gemalt hat, wie zum Beispiel eben in Počedělice. Nur wenige Kunstexperten wissen jedoch, dass auch diese Landschaften eine gewisse Entwicklung durchlaufen haben und dass Zdeněk Sýkora Anfang der achtziger Jahre wiederum vor der Entscheidung stand, ob er sie weiter radikalisieren soll, bis hin zur Abstraktion. In einem Interview mit Vítek Čapek formulierte er das Anfang der achtziger Jahre selbst folgendermaßen: „Die Bilder, die ich in der Natur male, haben in letzter Zeit ihre eigene Struktur, aber sie respektieren das Ausgangsgefühl. Ich dränge ihre Form zu größtmöglicher Synthetizität und Einfachheit. Mittlerweile sind sie nur noch auf die Linie des Horizonts als Grenze, an der sich die Materie der Erde und die Materie des Raums berühren, reduziert. Es ist ein Prozess, der dem Übergang von den Makrostrukturen zu den Linien ähnelt. Bei beiden Vorgehensweisen, der ,rationalen‘ und der ,intuitiven‘, gelangte ich also unwillkürlich zur Linie als wichtigstem Ausdruckszeichen. Beide Zugangsweisen streben auf unterschiedliche Weise nach der Konkretisierung desselben Wirklichkeitsempfindens.“
Als ich meine Ansprache für die feierliche Enthüllung der Gedenktafel im vergangenen Jahr konzipierte, erinnerte ich mich an unsere Hochzeitsreise nach Frankreich und den mehrere hundert Kilometer weiten Abstecher in die Stadt Aix in der Provence. Wir wollten das Atelier des angesehenen französischen Malers Paul Cézanne besuchen und dann mit eigenen Augen das häufigste Motiv seiner Bilder sehen – den Berg Sainte-Victoire, den er wohl zweihundertmal gemalt haben muss. In Aix wusste damals niemand, wo sich sein Geburtshaus befindet, überall gab es nur Wegweiser zur Fondation Vasarely. Nach langem Suchen fanden wir dann doch noch das kleine Häuschen mit dem Atelier. Dank einer amerikanischen Stiftung war es in den fünfziger Jahren gerettet worden und es sind darin auch verschiedene Gegenstände erhalten, die Cézanne selbst in der Hand gehabt hatte. Wir entdeckten auch den Weg zum Berg, weil sich Sýkora durch die Bücher, die er darüber gelesen hatte, und durch Cézannes Bilder dort gut auskannte. Wir gingen bergauf, dem Horizont entgegen, und plötzlich tauchte er vor uns auf: der Berg Sainte-Victoire. Und obwohl wir nicht genau an dem Ort waren, von dem aus der Künstler Sainte-Victoire einst gemalt hatte, und obwohl der Berg nicht so war, wie wir ihn von Cézannes Bildern kannten, war Sýkoras Freude gewaltig. Seine damalige „Huldigung des Berges“ ist auf einem Foto festgehalten und wurde symbolisch in den Katalog zu seinem Neunzigsten aufgenommen.
Viele kennen den Namen dieses Berges nur durch Cézannes Bilder und wollen ihn deshalb mit eigenen Augen sehen. Und so ist es gut möglich, dass auch einmal jemand einen Abstecher nach Louny macht, um nach dem Atelier Zdeněk Sýkoras in seiner Heimatstadt zu suchen, und dass er auch die Eger und Počedělice sehen möchte, deren Namen er nur von Sýkoras Bildern kennt.
Übersetzung: Angela Lindner