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Die Galerie, die ihre Tätigkeit mit dieser Ausstellung beginnt, hat sich vorgenommen, die kulturellen Bindungen zwischen der Tschechoslowakei und dem benachbarten Europa, die im letzten Jahrhundert mehrmals brutal unterbrochen wurden, wieder herzustellen. Ich glaube, daß wir dies begrüßen dürfen, besonders in einer Zeit, in der sich das Bewusstsein für die Tatsache, daß dieser gegenseitige Austausch kultureller Werte nicht nur eine Kollektionierung der mehr oder weniger kuriosen nationalen und pseudonationalen Spezifizierungen darstellt, weitet, sondern auch zu einer gegenseitigen Bereicherung persönlicher Werte führt. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, die Behauptung aufzustellen, daß es mehr als einen guten Grund dafür gibt, daß die Mitteleuropäische Galerie solchen Aktivitäten gerade mit der Ausstellung des Werkes von Zdeněk Sýkora beitritt. Seine Schöpfung gehört auf keinen Fall zum folkloristischen Interessenbereich, sie hätte aber nur schwer irgendwo anders entstehen können als in diesem mitteleuropäischen Raum, in dem sich die verschiedensten Impulse begegnen und in der tschechischen bildenden Kultur, die nach meiner Meinung gekennzeichnet ist durch ihre Fähigkeit, solche Impulse zu verschmelzen und zu synthetisieren.
Das Werk Sýkoras hatte eine komplizierte, aber im Rückblick übersichtige und logische Genesis, über die an anderer Stelle dieses Kataloges Dr. Josef Hlaváček schreibt. Deswegen möchte ich hier nur auf einige Momente der persönlichen Kunstsynthese dieses Künstlers, die mir in diesem gegebenen Zusammenhang wichtig erscheinen, aufmerksam machen.
Beim ersten Blick auf Werke solch rationaler Herkunft, so wie sie eben sich darstellen und wie sie uns auf der Ausstellung begegnen, scheinen diese unseren sensualen Welterfahrungen recht fern zu sein. Wir brauchen zwar weder von Sýkoras Bewunderung der Tradition des französischen – aber auch tschechischen – Impressionismus mit seinem bezaubernden sinnlichen Antlitz der Realität zu wissen, noch über seinen Weg als Maler des hartnäckigen Gleichkommens mit dieser Tradition, die die Tür seiner Kunstäußerung geöffnet hat, um die Bildschöpfungen von Sýkora als eigenartige Versuche um das Verständnis der Naturphänomenen zu erkennen. Sollte es nicht verfehlt sein, Zdeněk Sýkora in den Strom der konstruktiven Kunst einzuschalten, müssen wir gleich am Beginn anführen, daß seine Schöpfung nichts gemeinsam hat mit modernistischen Dogmen des traditionellen Konstruktivismus, der sich um eine „neue“ oder „technische“ Naturschöpfung bemühte. In seiner Schöpfung begegnet man solchen Konstruktionen nicht. Das abstrahierte Element, dessen Leben wir auf der Bildfläche betrachten können, ist nämlich für sich selbst unwichtig. Unwichtig ist auch das System, welche diese Elemente einreiht und verbindet. Das, um was es geht, ist das Gewebe der entstehenden gegenseitigen Verhältnisse, die aus dem Bilde ein Modell der Welt und zwar der unseren, der natürlichen Welt, herstellt. Das Fundament dieser Erkenntnisse gewann Sýkora schon während seines Studiums der impressionistischen Malerei, als er sah, daß die eigene Bezauberung durch die Schönheit der Welt den eigenen Ausdruck in einer strengen und logischen Ordnung, die die sinnvolle Qualität organisiert, findet. Und über eine solche Ordnung, welche die Synthese der Wonne und Strenge ist, sinnieren Sýkoras Bilder.
Im Zusammenhang der Interpretation dieser Werke ist nicht entscheidend, ob die früheren Werke auf dem Prinzip der relativen strengen Regel und die späteren auf dem Prinzip eines dem Zufall sich anbietenden grö eren Raumes realisiert wurden. Die Natur selbst – wie es scheint – kennt solche Gegensätze nicht. Offenbar schöpft sie auch nicht aus der Regel oder aus dem Zufall. Sie schöpft sie auch nicht aus der Regel oder aus dem Zufall. Sie schöpft aus der Ordnung, die sich über beiden abstrakten Begriffen befindet. Ordnung, die immer konkret und einzig ist. Und in dieser Ordnung ist der Weg der Natur und der Künstler verwandt. Wollen wir den Bildern von Zdeněk Sýkora näherkommen, dürfen wir nicht nach ihrer Konstruktion fragen, sondern nach der Hermeneutik ihrer finalen Ordnung.
Hier entsteht offensichtlich die Frage, bis zu welcher Grenze der Autor die Verantwortlichkeit für seine Schöpfung besitzt, an der einen wesentlichen Anteil der Computer hat. Ich möchte hier nicht den – im ganzen banalen – Hinweis wiederholen, daß es der Künstler ist, der den Computer zu Hilfe nimmt, um eine gewisse Aufgabenstellung und ein gewisses Ziel zu erreichen, und der dann aus den verschiedenen entworfenen Varianten wählt. Ich möchte eher hervorheben – und dies eben in Relation zu den Schöpfungen von Sýkora -, daß der Künstler der Schöpfer der Ordnung ist, der den Sinn und die Bedeutung der Farben, Flächen und gegenseitigen Relationen bestimmt. Erlauben Sie eine Abweichung: Johann Sebastian Bach hat in einer Reihe von Fällen das gleiche musikalische Gewebe benutzt, um Texte verschiedener Natur in Musik umzusetzen. Es scheint, daß dies gelungen ist, da die eigene musikalische Ordnung eine Chiffre der eigenen Interpretation war und nicht von einer gewissen Mitteilung zeugte. Vielleicht können wir sogar behaupten, daß es die Chiffre von dem war, was uns erlaubt, in der Welt zu sein und sich in ihr zu orientieren. Ich meine, daß man hier Botschaft und Forderung der Bilder von Zdeněk Sýkora suchen muß. Sie sind nicht eine Exhibition des Autors, sie sind auch nicht eine wollüstige Kontemplation über die schöne Naturform oder die logische Konstruktion. Sie sind ebenfalls nicht ein Protest oder ein Aufschrei. Sie sind eine Meditation über die Ordnung, die aus uns einen Bestandteil der Welt macht, und die es uns auch erlaubt, sich in dieser Welt zu finden. Ist das wenig?
Übersetzung Marie Kotrbová, Ellen Schaad