Der tschechische documenta-Teilnehmer Zdeněk Sýkora (1920-2011) gehörte seit Mitte der 1960er-Jahre zu den Pionieren der internationalen Computerkunst. Die in der Ausstellung zu sehenden „Linienbilder“ entstanden ab 1973 und fanden in kurzer Zeit auch international große Anerkennung. Trotz einer Basis zufälliger computergenerierter Zahlenreihen sind die konstruktivistischen Gemälde Sýkoras dennoch ganz von der Steuerung durch den Künstler durchdrungen, weshalb sie nicht ausschließlich auf den Begriff Computerkunst festzulegen sind.
Bis heute zählt Sýkora zu den bedeutendsten Künstlern seines Landes und ist in Ausstellungen weltweit vertreten. Das Emil Schumacher Museum in Hagen präsentiert nun seit vielen Jahren die erste Einzelausstellung in Deutschland und setzt dabei die konkrete Malerei Sýkoras mit der gestisch expressiven Malerei Emil Schumachers in Bezug. Beide Künstler arbeiten mit dem Prinzip des Zufalls und unbedingter Freiheit. Formal gegensätzlich stehen sie einander künstlerisch überraschend nahe.
Rouven Lotz, 2015
Lenka Sýkorovás Rede bei der Eröffnung am 30. 8. 2015
Verehrte Gäste, liebe Freunde,
Ich bin froh, dass Sie die Einladung zur Eröffnung der Ausstellung Zdeněk Sýkoras in diesem wunderschönen Museum, das den Namen von Emil Schumacher trägt, angenommen haben. Ich möchte mit Ihnen meine heutigen Gefühle teilen: Ich bin stolz und traurig zugleich …
Ich bin stolz, gerade hier stehen zu können und auch darauf, dass ich mich vor Jahren am Entstehen dieser Bilder – und heute als Mitkuratorin am Entstehen dieser Ausstellung – beteiligen konnte. Der Initiator der Idee, hier die Ausstellung der Linienbilder Zdeněk Sýkoras zu machen, war Dr. Ulrich Shumacher. Es war nicht das erstemal in meinem Leben, dass gerade er eine Sýkora Ausstellung in einem Museum angeregt hatte. Schon im Jahre 1986 kam zu uns nach Louny, in die damalige Tschechoslowakei, ein Brief mit dem Angebot eine Ausstellung auszurichten, gemeinsam mit dem Prospekt des Josef Albers Museum in Bottrop, dessen langjähriger Direktor Ulrich Schumacher war. Es war in der damaligen Zeit von ihm aus verschiedenen Gründen einem mutige Tat, für die wir ihm nochmals danken. Gerade diese Ausstellung ermöglichte Zdeněk Sýkora auf die Szene der europäischen modernen Kunst, die er aus gut bekannten Gründen Anfang der siebziger Jahre verlassen musste, zurückzukehren. Aber im Juli 1986 konnten wir schon wieder in den Westen reisen und persönlich an der Eröffnung der großen Retrospektiveausstellung in Bottrop teilnehmen. Zwar nach vielen Peripetien, die aber heute schon eher amüsant erscheinen …
Und fast nach dreißig Jahren kam wieder ein Brief aus Deutschland nach Louny, in das heutige Tschechien, diesmal mit dem Prospekt des Emil Schumacher Museum in Hagen mit dem Angebot dieses Projektes – die Werke zweier Künstler, die scheinbar wenig Gemeinsames haben, nebeneinander zu stellen. Ich weiß noch gut, wie Zdeněk Sýkora das Werk Emil Schumachers schätzte und in den Kunstgeschichtestunden auf der Fakultät in den siebziger Jahren uns die Reproduktionen seiner Werke zeigte und später habe ich seine bewundernden Kommentare über die Originale in den deutschen Museen erleben können. Inwieweit Sie Sýkoras künstlerische Entwicklung kennen, überrascht Sie diese seine Bewunderung nicht. Es war deshalb für mich überhaupt nicht schwer, auf den Aufruf aus Hagen mit JA zu beantworten. Herr Schumacher hat genauso wie damals Louny persönlich besucht und wir haben gemeinsam Werke ausgesucht, die in sein Konzept passen würden. An dieser Stelle möchte ich mich bei dem Museumsleiter Roven Lotz, mit dem wir den mühsamen Weg gemeinsam gegangen sind bis zur Ausstellungsrealisierung, die für die nicht eingeweihten Zuschauer selbstverständlich aussieht, herzlich bedanken. Ich danke ihm für sein Engagement und seine Diskussionsbereitschaft und glaube fest, dass alle diesmaligen Peripetien dann später genauso amüsant erscheinen wie die damaligen in Bottrop. Ich bin stolz darauf, dass ich mich an diesem Projekt beteiligen konnte und bedanke mich noch einmal für diese große Gelegenheit.
Aber, wie ich schon anfangs sagte, bin ich gleichzeitig auch traurig. Traurig dadurch, dass ich hier alleine stehe.
Die Ausstellung müssen Sie selbst beurteilen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dabei genauso positive Gefühle empfinden, wie die, die Zdeněk Sýkora in seine Linien bei Ihrer Entstehung hineingelegt hatte.
Press realeses:
Der Herr der Linien
Sehnsucht nach der Struktur
Zdeněk Sýkora und Emil Schumacher - Bilder mit Linien
Hagen, Emil Schumacher Museum
30. 8. 2015 -14. 2. 2016
Ausstellungskonzept: Lenka Sýkorová, Ulrich Schumacher, Rouven Lotz